Sarnen als Ausgangspunkt
Ausgangspunkt, Thema, Übungsterrain und zugleich Schauplatz der Abschlussausstellung 2013 des Master of Arts in Fine Arts war der Ort Sarnen im Kanton Obwalden. Sarnen liegt aus der Perspektive Luzerns oder gar Zürichs an der Peripherie und kaum jemand kann mit dem Ort spontan konkrete Bilder in Verbindung bringen. Dass auch Sarnen seine – vielleicht auch nur imaginierte Unschuld – und seinen Provinzstatus verloren haben könnte, vermutet man spätestens seitdem Bauzonen an privilegierten Lagen für reiche Zuzüger aus dem Ausland auf breites mediales Interesse gestossen sind.
Bei einem ersten Augenschein vor Ort und der Fahrt durch die ausgedehnten Gewerbegebiete am Dorfeingang wurde zudem schnell klar, dass das Bild einer vorwiegend ländlich geprägten Gegend trügt. Im Ort angekommen, stechen vor allem die vielen wuchtigen klassizistischen Bauten ins Auge, die vom humanitär aufgeklärten Geist des 19. Jahrhunderts zeugen und in einem eigenartigen Spannungsverhältnis zu Kirchen und Klosterbauten zu stehen scheinen. Wie an so vielen Orten der Schweiz, sind auch hier die Effekte sowohl historischer als auch aktueller Formen der Globalisierung und des kulturellen Austauschs über die Grenzen der Region und des Landes hinweg unübersehbar.
Als eine erste Annäherung an die für Aussenseiter nicht ganz einfach zugängliche Gegend, bieten sich die drei am Anfang des Katalogs abgedruckten Geschichten an. Sie stammen von Autoren und Autorinnen aus unterschiedlichen Generationen, die alle einen persönlichen Bezug zu Sarnen haben, dort leben und arbeiten oder aufgewachsen sind. Sie handeln alle von Reisenden, von Personen oder Ideen, die Raum oder Zeit durchqueren, von lokalen Kulturen, die vom Austausch leben und immer neu erfunden werden müssen.
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das Blickfeld
Der Ort Sarnen stand so über ein Jahr lang im Blickfeld von 29 Studierenden. Sie hatten die Aufgabe, künstlerische oder vermittelnde Abschlussprojekte zu entwickeln, die sich inhaltlich, räumlich oder institutionell auf Sarnen und die Region beziehen. Im Rahmen der Ausstellung und der Veranstaltungsreihe «Manöver Sarnen» wurden die Projekte und Inter- ventionen der Öffentlichkeit vorgestellt.
Was kann bei einer solchen Versuchsanlage von den beteiligten Kunstschaffenden erwartet werden? Ungewohnte Sichtweisen auf einen vertrauten Alltag, überraschende Begegnungen zwischen Menschen von hier oder anderswo, Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Fragen und Problemen, ironische oder poetische Kommentare zu lokalen Eigenheiten oder die Entdeckung unbekannter Ecken und Seiten des Ortes.
Die Studierenden hatten sich auf ganz eigene Weise Sarnen angenähert und sind dabei auf Orte oder Fragen gestossen, die ihnen relevant schienen oder die sie wieder überarbeitet und verworfen haben. Sie recherchierten mit unterschiedlichen Methoden, sind mehr oder weniger Experten/-innen geworden und haben Position bezogen. Heraus kam eine Ausstellung mit Festivalcharakter und mit einem Schwerpunkt auf performativen Formaten und temporären Interventionen mit zweiundzwanzig Kunst- und fünf Vermittlungsprojekten.
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zum Rollenverständnis
Die Rolle, welche die Bildende Kunst im gesellschaftlichen Alltag spielt, hat sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts grundlegend gewandelt. Die Figur des genialen Künstlers als eine Art Gegensubjekt zur bürgerlichen Normalität hat ausgedient. Auch steht die Funktion des Museums als elitäre Bildungsinstitution für Eingeweihte längst nicht mehr im Zentrum des Geschehens. Wir gehen heute von einem demokratisierten Kunstbegriff aus, der auch Formen der Alltags-, Populär- und Volkskultur umfasst und unterschiedliche gesellschaftliche Schichten berücksichtigt. Kunst und Kultur im Allgemeinen spielen in der postindustriellen Wissensgesellschaft eine zentrale Rolle und sind zu einer Art gesellschaftlichen Anforderung geworden. Künstlerische Strategien erweisen sich als geeignetes Mittel, um Handlungs- und Ermächtigungsräume bereitzustellen und so neue Öffentlichkeiten zu schaffen.
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Art in Public Spheres
Der Studiengang Master of Arts in Fine Arts der Hochschule Luzern – Design & Kunst ist denn auch strategisch auf «Art in Public Spheres», also Kunst in unterschiedlichen öffentlichen Kontexten ausgerichtet. Ziel der Ausbildung ist die Aneignung einer künstlerisch vermittelnden Praxis, die sich mit gesellschaftlichen Themen, alltäglichen Realitäten, unterschiedlichen Orten und ihren Akteuren auseinandersetzt. Gute Ideen und passenden Strategien der Kunstschaffenden alleine, reichten aber nicht aus. Die entstandenen Arbeiten mussten nun in einen Dialog mit der Öffentlichkeit treten. Sie waren auf Begegnung mit der Sarner Bevölkerung und mit den von aussen anreisenden Gästen angewiesen, wollten ausprobiert, angehört, kritisch betrachtet, gelesen, debattiert oder auch einfach genossen werden.
Sabine Gebhardt-Fink und Peter Spillmann
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