

Im Staatsarchiv Obwalden in Sarnen durchforstete ich die belegte Vergangenheit der Familie Stockmann. Durch spezielle Umstände kamen nicht nur Apothekertagebücher und Rechnungsbücher in den Besitz des Kantons, sondern auch persönlichere Dokumente wie Kochbücher, Briefe, Poesiealben, Gästebücher, Familienfotos und Kinderzeichnungen. Teil der Sammlung sind auch Stammbäume, die bis ins 16. Jh. zurückreichen und weiter zurück – mit grosszügigen Lücken – auf Ritter, Heilige und auch auf Karl den Grossen verweisen. Diese Divergenz zwischen belegten Fakten im ersten Teil des Stammbaums einerseits und seiner Ausschmückung anderseits greifen meiner Arbeit vor, indem sie die Fiktion der dokumentierten Geschichte voranstellen. Mein Wissen über die Familie Stockmann überführe ich gebündelt in eine neue Form. Die Faszination besteht für mich darin, Lücken zu schliessen und nicht zusammengehöriges zusammenzuführen. Meine Arbeit konzentriert sich auf die Zwischenräume, die mit einer neuen Geschichte gefüllt werden, welche sich zwischen Wahrheit und Fiktion bewegt. Bei meinen Recherchen stellte sich heraus, dass der erste im Archiv dokumentierte Stockmann, ein Jost Stockmann, Sohn des Ully Stockmann und der Anna Entler, aus dem Kanton Schwyz als Färber nach Sarnen gekommen war. Wie ein Dokument von Anna Stockmann besagt, «sollen die Stockmann aus dem Norden, wie die Familienüberlieferung will, ursprünglich aus Schweden kommen.»1 Schon im Weissen Buch von Sarnen steht: «Später sind die Leute von Schweden nach Schwyz gekommen, da in ihrer Heimat zu viel Volk war.»2 Natürlich ist diese Aussage von Hans Schriber, dem Verfasser des Weissen Buches, reine Erfindung und die Zusammenführung dieser Fakten folgt einer willkürlichen Logik. Die mündlich tradierten Familiengeschichten, vermutlich erfundene Erzählungen im wichtigsten Buch der Zentralschweiz sowie dokumentierte Tatsachen, schliessen sich zu einem Kreis, der wahrscheinlich Erfindung ist. Hier setzte ich an. Ich wollte herausfinden, ob die Familie Stockmann ihre Wurzeln in Schweden hat. Eine Reise nach Stockholm unterstützte die Suche nach Hinweisen auf eine mögliche Abstammung. Zurück in der Schweiz wurden die Eindrücke der Reise und die neuen Erkenntnisse in den Kontext Sarnen eingeflochten.